Innere und äußere Stille

Innere und äußere Stille

Äußere Stille kann uns unterstützen, innerlich zu mehr Ruhe und Gelassenheit zu finden. Innere Stille erlaubt uns, gelassen und ruhig zu bleiben, auch wenn es in unserer Umgebung turbulent zugeht. Aber die Abwesenheit von äußerem Lärm bedeutet nicht, dass wir automatisch auch innere Stille erfahren. Denn manchmal kann es in unserer Umgebung total still sein, während in unserem Inneren ein Riesenlärm in Form von Gedanken oder Gefühlen tobt. Umgekehrt haben wir vielleicht schon die Erfahrung gemacht, innerlich total ruhig und gelassen zu sein, während um uns herum großes Chaos und großer Lärm herrscht. Äußere und innere Stille bestehen grundsätzlich unabhängig voneinander. Aber wie beeinflussen und fördern Sie sich wechselseitig?  

 

Wie äußerer Lärm uns negativ beeinflusst

Das moderne Leben bringt es mit sich, dass wir äußerlich sehr vielen Reizen ausgesetzt sind, die uns ein Gefühl von Dringlichkeit vermitteln. Im beruflichen Umfeld sind dies oft die vielen Aufgaben, die zu erledigen sind, der Zeitdruck, die zu beantwortenden E-Mails, manchmal auch Konflikte mit Kollegen, Mitarbeitern oder Vorgesetzten. Im privaten Bereich sind es vielleicht Geldsorgen, Konflikte mit dem Lebenspartner oder mit dem Nachbarn, gesundheitliche Probleme oder andere Sorgen. Für viele sind auch Facebook, Instagram oder andere soziale Medien Ursache für Unruhe und ständige Ablenkung. Zeit für Ruhe gibt es kaum. 

Da all diese Reize mit einem Gefühl von Dringlichkeit einhergehen, schenken wir ihnen unsere Aufmerksamkeit und einen Großteil unserer Lebensenergie. Es bleibt wenig Aufmerksamkeit und Lebensenergie dafür übrig, nach innen zu spüren und wirklich mit uns selbst in Kontakt zu kommen, uns selbst zu sehen. Bereits vor über 2500 Jahren drückte der chinesische Weise Laotse in folgendem Gleichnis aus:

In fließendem Wasser kann man sein eigenes Bild nicht sehen, wohl aber in ruhigem Wasser.
— Laotse

(Zitaten-Quelle: Weimer, Martin, Hrsg., “Das große Buch der christlichen Zitate”, 2005, Pattloch Verlag, S. 309)

Wollen wir mit uns selbst in Kontakt kommen, müssen wir uns erlauben, anzuhalten, innzuhalten, müssen erlauben, dass das Wasser sich beruhigt, damit wir uns darin spiegeln können. Das kann beispielsweise bedeuten, dass wir zunächst den Körper beruhigen (z.B. durch Yoga, Sauna, Massagen) und dass wir unsere Aufmerksamkeit von äußeren Reizen wegführen. Dabei unterstützen auch Internet-, Handy-, Fernsehfreie Zeiten sowie Zeiten, die wir generell mit uns alleine verbringen. Das kann sich manchmal auch wie ein Entzug anfühlen.  

 

Die Schwierigkeit mit der äußeren Stille

Während äußere Stille die Abwesenheit von störenden, äußeren Geräuschen und Reizen beschreibt (zum Beispiel Straßenverkehr, laute Menschenmengen, Handyklingeln etc.) lässt sich innere Stille – zumindest psychologisch gesehen – als ein subjektiver Zustand bezeichnen, in dem keine Elemente vorhanden sind, die unsere Ruhe zum Beispiel in Form von unangenehmen „lärmenden“ Gedanken oder Gefühlen stören. Wenn wir einen äußeren Raum von Stille schaffen, hilft dies uns, Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Aber in der Regel begegnen wir dann vielen unliebsamen Gedanken und Gefühlen, über die wir sonst hinweggegangen sind. Von denen wir uns ansonsten abgelenkt haben. Viele Menschen haben sogar das Gefühl, dass der innere „Lärm“ zunimmt, wenn sie äußerlich still werden. Unsere Gedanken und Gefühle beruhigen sich jedoch, wenn wir sie verstehen lernen und Ihnen in Mitgefühl begegnen. Dazu kann psychologische Unterstützung in Form von Psychotherapie oder andere Formen der Lebenshilfe hilfreich sein. Dabei geht es um eine Klärung unserer negativen Gedanken, Gefühle und oft auch konfliktbeladener Beziehungen. Solange wir im Streit mit Menschen um uns herum sind, solange wir voller negativer Überzeugungen über uns und das Leben sind und auch, wenn wir Trauer und Schmerz aus traumatischen Erfahrungen noch nicht verarbeitet haben, wird es uns schwerfallen, innerlich einigermaßen still zu werden. Entsprechend weist der Mystiker und Weisheitslehrer, OM C. Parkin, darauf hin:

Ruhe ist vor dem Sturm. Stille ist nach dem Sturm.
— OM C. Parkin

(Zitaten-Quelle: OM C. Parkin, “Donnerschlag und Tempelstille”, 2004, advaita Media, S. 16.Dezember)

Wenn wir auf der psychologischen Ebene jedem Lärm in uns mit Mitgefühl und Verständnis begegnen und deren Ursachen durchdringen – das können von dem Umfeld übernommene negative Glaubenssätze sein, traumatische Kindheitserinnerungen, Ängste, Wut und vieles mehr – ist die Frucht eine zunehmende innere Stille und Gelassenheit. Dieser lohnende Prozess dauert oft einige Jahre und führt dazu, sich selbst näher zu kommen und sich selbst und das Leben immer mehr lieben zu lernen.  

 

Der Weg in die große Stille

Meditation und Spiritualität gehen aber noch einen Schritt weiter und setzen bei der Identifikation mit jeglichen Gedanken und Gefühlen an. Nicht die lärmenden Gedanken und Gefühle sind demzufolge das Problem, sondern dass wir uns damit identifizieren und sie für unsere Gedanken und Gefühle halten. Indem wir alle Phänomene in uns beobachten lernen, bekommen wir ein Bewusstsein für das Entstehen und Vergehen von allen Gefühlen und Gedanken und für die hinter allem liegende Stille. Der amerikanische Zen-Lehrer Adyashanti formuliert es so:

Es geht darum, zu bemerken, dass es da eine Stille gibt, die immer gegenwärtig ist und dass der Lärm innerhalb der Stille erscheint – sogar der Lärm des Verstandes.
— Adyashanti

(Zitaten-Quelle: Adyashanti, “In Gnade fallen”, 2011, Noumenon Verlag, S. 22)

In Meditation können wir erfahren, dass es eine Stille jenseits von innerem und äußerem Lärm gibt. Der berühmte Zen-Meister Shunryu Suzuki weist ebenfalls darauf hin, wenn er sagt:

Bevor ihr meditiert, ist Stille bereits da.
— Shunryu Suzuki

(Zitaten-Quelle: Schmidt-Glintzer, Hrsg., “Lektionen der Stille – Klassische Zen-Texte”, dtv, S. 67)

Und auch der spirituelle Lehrer, Eckhart Tolle, meint dasselbe, wenn er sagt:

Die äußere Stille ist zwar hilfreich, aber nicht erforderlich, um innere Stille zu finden. Selbst wenn Lärm da ist, kannst du der Stille hinter dem Lärm gewahr werden, des Raums, in dem der Lärm entsteht.
— Eckhart Tolle

(Zitaten-Quelle: Eckhart Tolle, “Stille spricht – Wahres Sein berühren”, 2003, Wilhelm Goldmann Verlag, Seite 14) 

Um die Stille jenseits allen inneren und äußeren Lärms wahrzunehmen, können Räume von äußerer Stille unterstützend sein, auch wenn sie letztlich nicht notwendig sind. Sie helfen uns wie eine Art Spiegel jedoch, mit der Tiefe unserer selbst in Kontakt zu kommen. Eckhart Tolle empfiehlt daher:

Wann immer um dich herum Stille herrscht, solltest du darauf lauschen. Ihr Aufmerksamkeit schenken. Auf die äußere Stille zu lauschen eröffnet dir die Dimension der Stille in dir selbst.
— Eckhart Tolle

(Zitaten-Quelle: Eckhart Tolle, “Stille spricht – Wahres Sein berühren”, 2003, Wilhelm Goldmann Verlag, Seite 12) 

Je mehr wir Zugang wir zur inneren Stille erhalten, desto mehr können wir diese auch inmitten von innerem und äußerem Lärm wahrnehmen. Entsprechend gibt es viele Geschichten von spirituellen Lehrern, die ihre Schüler auf den Marktplatz mitnahmen, um deutlich zu machen, dass wahre Stille unabhängig von äußeren Bedingungen ist. Sie ist immer da und unberührt.

Stille und Frieden sind die Essenz deines Seins.
— Eckhart Tolle

(Zitaten-Quelle: Eckhart Tolle, “Stille spricht – Wahres Sein berühren”, 2003, Wilhelm Goldmann Verlag, Seite 10)

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